„Black is for secrets / Outlaws and dancers / For the poet of the dark“ singt Suzanne Vega in ihrem 2014 veröffentlichten Song I never wear white …
Nicola Rubinstein greift in ihrer neuen Serie großformatiger Bilder das Rebellische dieses Liedes auf und feiert in ihnen ein Fest der Farben. Gastgeber ist das Schwarz, von dem es im Deutschen leider keinen Plural gibt. Und es gibt in Rubinsteins Arbeiten auch keinen weißen Gegenspieler, es wird kein Wettkampf ausgetragen, sondern eben ein Fest gegeben. Rubinstein polarisiert nicht, sondern denkt und bildet das von uns oftmals als gegensätzlich Definierte zusammen: Erst durch die Anwesenheit von Schwarz erhalten die anderen Farben eine mitunter ekstatische Lebendigkeit, beginnen einen Tanz, an dem wir schauend, staunend teilhaben. Plötzlich fragt man sich, wie viele Klänge ein Schwarzton haben kann. „Selten war Schwarz so farbig“, sagte eine Betrachterin angesichts der Arbeiten von Rubinstein. Plötzlich befragt man das Schwarz. Im abendländischen Alltag mit Abwesenheit von Licht, mit Trauer oder auch dem zweckmäßigen Kleidercode bestimmter Milieus konnotiert, wird man ganz anderer Dimensionen gewahr: Das Dunkle ist ein Teil von uns, kein toter Tiefpunkt, sondern ein Weg des Innehaltens und Eingedenkens gegen alles Grelle und Oberflächliche. So wird auch in Rubinsteins Arbeiten das Sorglose nicht ausgeschlossen, noch wird das Besorgniserregende nivelliert. Ein dem Dunkel Ausgeliefertsein lehrt nicht nur Furcht, sondern gewährt zugleich Geborgenheit, eröffnet den schützenden Raum für Träume, Märchen und Rätsel … „Ihr wisst nicht“, schreibt Stanisław Lem 1984 in Also sprach Golem, „was mit einem Stern geschieht, der samt seinem Licht hinter dem Gravitationshorizont versinkt, denn die Physik führt euch nur bis an den Rand des Schwarzen Absturzes und hört dort auf.“ Dahinter reicht nur noch die Phantasie, unsere Phantasie – und wo die Physik endet, da beginnt die Malerei, dort beginnt Black is for the Secrets. Gleichsam ein Fest des Materials – Malerei, Collagen aus Gefundenem, Zeichnung bilden immer dynamische Schichtungen – gelingt der Künstlerin eine bildliche Konzentration, die unseren Blick bannt wie ihn immer tiefer wandern lässt. Nahezu intuitiv baut Rubinstein kosmisch anmutende Räume, rhythmische Landschaften und Figurationen, anarchische wie archaische Situationen. Die sie tragende Abstraktion sind hier keine Gesten der Verweigerung, vielmehr der Verweis aufs Viele, der Gang ins vielfach Mögliche. Dem Unsagbaren, dem nicht Darstellbaren, dem was ist, aber für das es keinen Begriff gibt, verleiht Rubinstein durch Farbe, Form und deren Zusammenspiel eine für uns erlebbare Präsenz. Und unsere Sinne beginnen zu tanzen, wir beginnen zu lesen in diesen Bildern und träumend zu verweilen im bunten Schatten des Rätselhaften … Black is for the Secrets – „It’s the shade and the shadow / It’s the depth into your eye“.
Anke Paula Böttcher